Im Juni/Juli 2024 wurde der Flash Eurobarometer 550* durchgeführt. Für die Teilstudie für Deutschland wurden dafür 1000 Personen befragt. Im Fokus stand die Europäische Union. Erfragt wurden einerseits die „aktuell größten Herausforderungen, denen die EU gegenübersteht“, und andererseits die „größten globalen Herausforderungen für die Zukunft der EU“. Den Befragten war dafür eine Liste mit jeweils zehn solcher Herausforderungen mit der Bitte vorgelegt worden, jeweils „bis zu drei“ von ihnen auszuwählen.
Die aktuell größten Herausforderungen, denen die EU gegenübersteht:
- Der Krieg in der Ukraine 49 %
- Irreguläre Migration 40 %
- Umweltprobleme und Klimawandel 36 %
- Terrorismus und Sicherheitsprobleme 34 %
- Lebenshaltungskosten 27 %
- Soziale Ungleichheiten 24 %
- Der Konflikt im Nahen Osten 22 %
- Desinformation und Manipulation von Informationen 18 %
- Unzureichendes Wirtschaftswachstum 17 %
- Auswirkungen digitaler Technologien auf die Gesellschaft 6%
Die größten globalen Herausforderungen für die Zukunft der EU
- Konflikte auf der Welt 44 %
- Klimawandel und Umweltprobleme 43 %
- Irreguläre Migration 39 %
- Terrorismus 28 %
- Zusammenbruch der weltweiten Beziehungen zwischen Ländern 27 %
- Cyber- und hybride Bedrohungen und neue Konfliktformen 23 %
- Gefahr, dass die EU ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit verliert 23 %
- Organisierte Kriminalität 20 %
- Rückgang des Anteils der europäischen Bevölkerung auf der Welt 9 %
- Risiken, die sich aus neuen Technologien ergeben 9 %
Bemerkenswert sind nicht nur die Herausforderungen an der Spitze der Liste, sondern auch diejenigen, die deutlich seltener als Herausforderungen gesehen werden. Zugegeben, es wurde nach den „aktuell größten“ bzw. den „größten globalen“ Herausforderungen gefragt. Damit ist die Messlatte schon sehr hoch gelegt. Und dass dann Themen wie Krieg, Umweltproblemen und Klimawandel ein so hoher Stellenwert zugerechnet wird, ist angesichts der objektiven Lage ja auch sehr nachvollziehbar. Aber auffällig ist dennoch, dass am anderen Pol der Skala mögliche Digitalisierungsfolgen vergleichsweise selten als Herausforderung gesehen werden. Das mag daran liegen, dass die im Fragetext angesprochenen „digitalen Technologien“ abstrakt bleiben, also keine eingängigen Beispiele dafür angeführt werden; aber in einer Zeit, in der KI Gesellschaft und Wirtschaft sehr deutlich verändert, ist diese Zurückhaltung durchaus auch bemerkenswert.
Dass digitale bzw. neue Technologien in der Bevölkerung vergleichsweise selten als Herausforderungen gesehen werden, würde ich per se zwar positiv bewerten, da sich darin ja implizit auch eine positive Haltung gegenüber Innovation und technischem Fortschritt ausdrückt, und wir diesen Fortschritt schon aus Gründen internationaler Wettbewerbsfähigkeit benötigen. Zudem bieten beispielsweise digitale Innovationen ihren Nutzerinnen und Nutzern selbst auch so ihre Vorteile. Aber angesichts des enormen gesellschaftlichen Veränderungspotentials künstlicher Intelligenz wäre es wahrscheinlich ebenso ratsam, die mit KI verbundenen Risiken nicht zu unterschätzen.
*Quelle (Dataset): European Commission: Flash Eurobarometer 550: EU challenges and priorities, June-July 2024. Ipsos European Public Affairs [Producer]; GESIS Data Archive: ZA8870, dataset version 1.0.0. (2024), doi: 10.4232/1.14410. Die Umfrage wurde vom 25.06.-02.07.2024 durchgeführt. Quotenstichprobe. Die Häufigkeitsverteilungen sind hier – wie für diesen Datensatz vorgesehen – „w1“ gewichtet.